Wandertage im Land der Nibelungen (13. 05. – 17. 05. 1999)
38 Mitglieder der Wandergruppe trafen sich am Himmelfahrtstag, dem 13. Mai 1999, um 7.00 Uhr auf dem Kieler Hauptbahnhof, um in den Odenwald – ins „Land der Nibelungen“- zu fahren. Der Zug fuhr uns via Frankfurt nach Bensheim an der Bergstraße. Dort wurden wir von einem Bus abgeholt. Auf der bereits in Worms beginnenden Nibelungenstraße fuhren wir in den Odenwald. Ab Reichenbach ging es kurvenreich bergauf zur Kolmbacher Höhe und wir erfreuten uns an wunderschönen Ausblicken auf sanfte Täler und sattgrüne bewaldete Bergrücken. Als wir nach einer guten halben Stunde Lindenfels, die Perle des Odenwaldes, erreicht hatten, begrüßte uns die Wirtin des Landgasthofes "Waldschlösschen" herzlich. Da wir sehr viele waren, wohnten einige 175 Treppenstufen tiefer im Tal in der Pension "Karina“. Nun bezogen wir unsere Zimmer und trafen uns dann am Kursaal zur Führung.
Der Stadtführer, Herr Bauer, zeigte uns den alten Teil dieses kleinen Städtchens (Stadtrecht seit 1336), das heute etwa 2000 Einwohner zählt. Besonders gut erhalten sind Teile der alten Stadtmauer und zwei wunderschöne große Stadttore. Vorbei am mächtigen Bürgerturm, der ev. Kirche mit ihrem hohen Kirchturm und dem barocken kurpfälzischen Amtshaus gingen wir durch den reizvollen Kurpark hinauf zur Burgruine. Sie liegt auf einer vorgelagerten Bergkuppe und bietet einen tollen Ausblick auf das Weschnitztal mit Fürth, den Höhenrücken der Tromm und den Krähberg mit seinem Sendemast. Die Burg Lindenfels wurde um 1080 vom mächtigen Kloster Lorsch zur Sicherung des Tales errichtet. Am Ende des Mittelalters ging sie an die Kurpfalz, verlor ihre militärische Bedeutung und wurde 1779 zum Abbruch freigegeben. Erst vor etwa hundert Jahren begannen die Lindenfelser, die verbliebenen Reste zu sichern und die Ruine vor dem weiteren Zerfall zu retten. Jetzt findet jedes Jahr im August ein großes Burg- und Trachtenfest statt. Die Führung endete in der Zehntscheune, die einst zur Lagerung der Zehntabgabe an die Kurpfalz diente. Heute beherbergt sie das Heimatmuseum mit Ausstellungen zur Stadtgeschichte, Volkskunde und zum Handwerk. Großes Interesse fanden die noch funktionstüchtigen Werkstätten der Handwerker.
Abends verwöhnte uns das Waldschlößchen-Team mit Odenwälder Hirschbraten, frischen Pilzen und hausgemachten Spätzle. Nach den kulinarischen Spezialitäten berichtete uns Herr Bauer in einem interessanten Diavortrag über den Odenwald und das Lindenfelser Burg- und Trachtenfest. Mit seinen wunderschönen Fotos stimmte er uns auf die kommenden Tage ein.
14. Mai Wanderung rund um Lindenfels
Am nächsten Morgen führte uns ein Serpentinenweg hinter dem Waldschlösschen den Berg hinauf. Im "Wirrwarr" verschiedener Wege führte uns Henriette ortskundig und sicher vom Ausblick auf Bensheim, zum Ausblick auf Lindenfels und zum Morgenstern mit Ausblick auf das Weschnitztal. Weiter ging es zum Bismarckturm auf der Litzelröder Höhe (400 m). Die Turmbesteiger sahen Lindenfels, das Gersprenztal mit seinen Dörfern und den rundlichen grünen Bergkuppen dahinter. Die Geologen bestaunten die variskischen Schiefer. Gesteine aus dem Erdaltertum, die nur hier durch das Deckgebirge des Odenwaldes schauen. Zwischen leuchtendgelben Rapsfeldern und grünen Frühlingswiesen führte uns ein mit Obstbäumen mit vielen Blumen gesäumter Weg gemächlich hinab nach Winterkasten, einem landwirtschaftlich geprägten Straßendorf. Die Maisonne erwärmte uns auf dem Weg auf den nächsten Berg. Dann kreuzten wir am Gasthof "Linde" die Bundesstraße nach Bensheim und wanderten hinunter nach Schlierbach mit seinen hübschen Fachwerkhäusern und gepflegten Gärten. Auf dem Friedhof der reformierten Kirche betrachteten wir die sog. "Grabstickel". Diese weißen Holzbretter stehen dort an Stelle von Grabsteinen und erinnern an eine Tradition der reformierten Christen, die sich nach dem 30-jährigen Krieg hier ansiedelten. Im historischen Landgasthof "Zum Römischen Kaiser" mit seiner 1766 erbauten gemütlichen Gaststube genossen wir eine Odenwälder Spezialität „Kochkäse mit Musik“ (eingelegten Zwiebeln) und serviert mit Appelwoi. Gut gestärkt war der steile Aufstieg nach Lindenfels schnell geschafft. Weitere Programmpunkte waren je nach Lust und Laune eine leckere Torte im Waldschlösschen, ein erfrischendes Bad im Swimmingpool der Karina oder ein Liegestuhl im Garten oder oder ....
15. Mai Wanderung: Felsenmeer-Melibokus
Heute fuhr uns der Bus auf einem Parkplatz bei Reichenbach. Der über uns liegende Hang war in einer Breite von etwa hundert Metern mit riesigen Granitsteinen bedeckt. Hatte hier Obelix seine Hinkelsteine gelagert? Nein, es war das sog. Felsenmeer. Auf einem Waldweg daneben und auch kreuzend ging es hinauf. Unsere Frühstückspause war dann auf einem ehemaligen römischen Werkplatz. Einige saßen auf einer 1.600 Jahre alten römischen Steinsäule. Andere auf angesägte und halb behauene Granitblöcke, die die Steinmetze nicht mehr beendet hatten.
Nachdem der Felsberg (515 m) erreicht war, führten uns unsere Wanderleiterinnen auf einem leicht auf und ab führenden Weg durch einen wunderschönen maigrünen Buchenwald. Dann lag vor uns ein liebliches Odenwaldtal mit einem Bach, Wiesen und dem Dorf Balkhausen. Von dem gegenüber liegenden bewaldeten Bergrücken grüßten das Auerbacher Schloss bei Bensheim und der Fernsehturm auf dem Melibokus. Nun ging es hinunter ins Tal und hinauf auf den Melibokus (517 m). Leider war die angekündigte Fernsicht zum Pfälzer Wald nur zu erahnen. Auf dem Commoderweg (gemütlichen Weg) ging es unter großen Buchen in weiten Serpentinen hinab zur Bergstraße. Es tröpfelten ein paar Regentropfen auf uns herab; wohl damit das Regenzeug auch einmal nass werden sollte. Vorbei an einem Weinlehrpfad wanderten wir in das verträumte Städtchen Zwingenberg mit seinen vielen hübschen Fachwerkhäusern und engen Gassen. Besonders romantisch fand ich die Scheuergasse und den historischen Marktplatz mit dem alten Brunnen. Bevor uns der Bus wieder abholte, genossen wir im "Hotel zum Löwen" einen guten Kuchen.
Da wir im Jagdgebiet der Nibelungen weilten, hatten einige Mitwanderer eine kleine Aufführung vorbereitet. Wir erlebten die Abenteuer von Jung-Siegfried, den Streit der Frauen, Hagens Meuchelmord und den Auftritt eines Starreporters.
16. Mai Höhenrückenwanderung
Der uns inzwischen wohlbekannte Bus fuhr uns durch mehrere Dörfer und kleine Wäldchen zur Kreidacher Höhe. Um 9.30 Uhr starteten wir auf einem Höhenrücken, rechts unter uns Wald-Michelbach, weitere rundliche Odenwaldkuppen und links ein langes Tal, das sich zur oberrheinischen Tiefebene öffnete. Im morgendlichen Dunst schimmerten die Hochhäuser und Schornsteine von Mannheim und Ludwigshafen. Nun ging es gut zwei Stunden durch kleine Wäldchen, entlang von Feldern und Wiesen dann auf einem dunklen Waldweg ziemlich steil bergauf. Plötzlich standen wir vor dem Irene-Turm, benannt nach Prinzessin Irene von Darmstadt. Wir waren auf der Tromm, 577 m. Die Aussichtsplattform des Turmes eröffnete einen Ausblick vom Katzenbuckel bis zur westlichen Bergstraße mit dem bereits bekannten Melibokus und weiter bis zum Kernkraftwerk Biblis. Die besondere Aufmerksamkeit galt natürlich Lindenfels, das hinter dem Weschnitztal auf halber Höhe am Berg klebte. Weiter ging es durch die Wälder auf der Tromm. Nach dem wir zwischen gelbblühenden Ginsterbüschen am Brandschneider Kreuz gerastet hatten, wanderten wir durchs Weschnitztal mit Fürth und erreichten nach einem gemächlich Aufstieg und etwa 20 Kilometern wieder Lindenfels.
Abends unterhielt uns Helmut von der Lindenfelser Trachtenkapelle mit seinem Akkordeon. Lustig wurde es, als uns zwei Freunde von Henriette eine Kostprobe des Odenwälder Humors gaben und Gedichte und Sketche in Mundart vortrugen. Es war ein gelungener Abschiedsabend.
17. Mai Heppenheim und Rückreise
Am Montag um 9.30 Uhr verabschiedeten wir uns von unseren freundlichen Gastgebern. Der Bus brachte uns nach Heppenheim an der Bergstraße. Als das Gepäck im Bahnhof deponiert war, schlenderten wir gemächlich durch die sog. Vorstadt mit einer Fußgängerzone in die Altstadt mit vielen alten Fachwerkhäusern. Unsere Stadtführung begann im barocken Rathaus von 1551. Auch Geschichtliches erfuhren wir. Nach den Römern siedelten hier die Alemannen und Franken. Kaiser Karl d. Gr. übergab dann Heppenheim und den westlichen Odenwald dem nur etwa 15 km entfernten Kloster Lorsch (heute UNESCO-Weltkulturerbe). Als dies im Mittelalter seine beherrschende Rolle verloren hatte, schenkte der Staufenkaiser Friedrich II. es dem Erzbischof von Mainz. Hessisch wurde die Stadt erst zur Zeit Napoleons. Heute hat sie einige bedeutender Industriebetriebe, darunter das größte Eiskremwerk Europas.
Unser Rundgang begann am Marktbrunnen auf dem Marktplatz. Die umliegenden Fachwerkhäuser bilden ein wunderschönes Ensemble. Ein Brand im Jahre 1693 ermöglichte diese einheitliche barocke Fachwerkpracht. Vorbei an der alten Liebig-Apotheke und gingen wir durch die verwinkelten Gassen bis wir vor dem mächtigen neugotischen Portal der Pfarrkirche St.Peter mit seiner Kuppel standen. Dieser „Dom der Bergstraße“ wurde erst 1904 an der Stelle einer von Karl d. Gr. gegründeten Kirche gebaut. Abschließend ein Mittagessen im urigen Winzerkeller des Kurfürstlichen Mainzischen Amtshofes (erbaut 1232). Um 15.55 Uhr fuhr der Zug gen Norden. Fleißige Hände schmierten bergeweise Wurststullen, die uns auf der Rückfahrt stärkten.
Nachsatz:
Es waren erlebnisreiche Wandertage, die wohl jeder in sehr guter Erinnerung behalten wird und für die wir insbesondere Henriette Kuhr herzlichen Dank sagen.
Bericht: Dorothea Zelenka
Foto: Helga Palm