Wanderfahrt nach Oberstdorf im Allgäu

vom 08. bis 16.06.2013

 

 

In der Zeit 08.-16.06.2013 unternahmen Mitglieder der Wandergruppe eine Wanderfahrt nach Oberstdorf. Dietrich Materne hatte sie vorbereitet, in der Hoffnung,dass seine schwere Erkrankung sein Mitfahren möglich machen sollte, um sich dann vor Ort an der Gebirgslandschaft sowie der Freude der Gruppenmitglieder zu freuen. Unmittelbar vor Reisebeginn musste Dietrich diese Hoffnung dann aber doch aufgeben. So übertrug er mir als Leiter der Wandergruppe die Gesamtorganisation.

 Zur Umsetzung der wie immer exzellent bis ins letzte Detail geplanten Unternehmungen standen Werner Hesse und Martin Sodtke als überaus erfahrene Wanderführer zur Verfügung. Die Gruppe bestand aus 27 Mitgliedern der Wandergruppe der Sektion Kiel, darunter unsere beiden Senioren, Elfriede und Kurt, beide über 80 Jahre alt.

Die Anfahrt erfolgte per Bahn. Die Fahrtickets hatte uns das Tourismusbüro Oberstdorf beschafft, eine für uns kostengünstige Lösung.

Wir starteten um 7:21 Uhr in Kiel und erreichten Oberstdorf nach 2-maligem Umsteigen um 17:21 Uhr. Dort standen bereits die Taxen, die uns mit unserem meist umfänglichen Gepäck zu den Hotels brachten. In Ermangelung von Einzelzimmern hatte Dietrich 3 Wanderer im benachbarten „Immenhof“ untergebracht. Alle Anderen fanden im „Hotel Luitpold“ Unterkunft. Hier erwartete uns abends immer ein fulminantes 4-gängiges Menü aus der Küche von Frau Christine Kuß.
 

Die Wahl des/r Hotels erwies sich für uns als sehr vorteilhaft: Durch die Nähe zur Ortsmitte und zum Busbahnhofhatten wir innerörtlich kurze Wege. Zudem gehörte zu jedem Zimmer ein geräumiger Balkon, der von seinen Bewohnern rege genutzt wurde.

Dietrich hatte – in Abstimmung mit Werner und mir – für jeden Tag mindestens 2 Wanderalternativen ausgearbeitet; jeweils eine für die „starken Wanderer“ und eine andere für die „Wanderer“. Werner hatte die Führung der „Starken“ übernommen, Martin die der „Wanderer“. Die Zusammensetzung der jeweiligen Gruppe veränderte sich von Tag zu Tag. Auch war es den Mitgliedern freigestellt, den Tag auch mal anderweitig zu gestalten, was insbesondere die Senioren gerne taten.

Die Gruppe hatte sich auf Anraten von Frau Kuß mit Regionaltickets ausgestattet, die die Nutzung aller Bergbahnen und Busse erlaubt. Das schaffte uns eine angenehme Bewegungsfreiheit.
 

 

Sonntag, 09.06.2013

Wanderung durch das Trettachtal bis zur Spielmannsau – „zum Einlaufen“.

Beide Gruppen starteten leicht zeitversetzt an der Mühlenbrücke. Beiherrlichem Wetter war das Laufen auf dem meist sanft ansteigenden Weg seitlich der talwärts rauschenden Trettach eine Freude. Vorbei an der Oybachmündung, Gruben, Zwingbrücke erreichten wir – in gruppenangepasstem Wandertempo – den Berggasthof Spielmannsau (1071). Hier wartete bereits Elfriede, die mit dem Großraumtaxi herauf gekommen war.Weiter im Süden ragen die schneebedeckten Gipfel von Mädelegabel und Trettachspitze auf, an denen der Heilbronner Höhenweg vorbei führt. Daran binden sich manche schöne Erinnerungen und wehmütige Gedanken...

Nachdem auch die „Wanderer“ eingetroffen waren, traten die „Starken“ trotz der aufkommenden Regenhusche den Rückweg an. Dieser führte sie vorbei am tiefblauen Christlesee, Golfplatz, Moorweiher, ein abwechslungsreicher Weg, der die Gruppe „zum Einlaufen“ schon forderte. Die „Wanderer“ nutzten für den Rückweg größtenteils den Kleinbus.

 

Montag, 10.06.2013

Regen! Bestes Wetter für die Breitachklamm! (Denn da wird man eh nass!)

Mit dem Bus fahren wir nach Mittwänden, dem unteren Einstieg in die Klamm. Auch Elfriede ist heute dabei!

Ist es nur der Regen, der an den aufgespannten Regenschirmen vorbei uns durch die Jacken dringt oder ist es der Gischt, der die ganze Klamm ausfüllt? Jede Stromschnelle ist gewaltiger als die letzte. Die Klamm ist erfüllt von zischendem, brüllenden Getöse der sich talwärts zwängenden Wassermassen. Gigantisch die Balkonkonstruktionen, die uns das Begehen dieses Naturschauspiels ermöglicht. Dicke Baumstämme haben sich in den Windungen verkeilt und sind von der Wucht der Wassermassen krumm gebogen. Wehe dem lebenden Wesen, das dieser Gewalt ausgesetzt wird!

An der Walserschanz endet für uns die Querung: Oberhalb ist das Passieren versperrt. So fahren wir mit dem Bus zur Talstation der Söllereckbahn, mit dieser hinauf und kehren hier in das Söllerhaus ein. Es tut gut, die feuchten Kleidungsstücke zu trocknen, zumindest aber anzuwärmen.

Während der größte Teil der Gruppe anschließend talwärts fährt und zurück nach Oberstdorf, entscheiden sich 9 Wanderer für den Fußmarsch über den „Panoramaweg“ nach Riezlern. Zwar ist die Sicht stark getrübt durch tief hängende Wolkenfetzen, aber für alle war es ein Genuss, insbesondere als sich an der Mittelalpe die Wolken auflösten und das Kleinwalsertal komplett frei gaben mit Hoher Ifen und Walmendinger Horn.

Jeder hatte am Tagesende das zufriedene Gefühl, einen ausgefüllten, schönen Tag erlebt zu haben.

 

Dienstag, 11.06.2013

Regnerisches Wetter fordert Improvisation. Werner und Martin empfehlen das Gebiet um das Söllereck. Die Bergbahn bringt uns hinauf zum Söllerhaus. Der Weg hinauf zum Sattelkopf gibt immer wieder grandiose Blicke frei durch die Wolkenschwaden hinab ins Stillachtal. Manchem hat der Abstieg hinab zum Berggasthof Schwand erhebliche Probleme gemacht. Bei einem stärkenden Getränk oder Salat sah die Welt dann aber wieder rosig aus.

Martin ging mit den „Wanderern“ zur Fellhornbahn. Hier „gönnte“ man sich einen kurzen Besuch der Bergstation, bevor man per Bus zurück nach Oberstdorf fuhr.

Werner trat mit den noch fitten „starken Wanderern“ den Rückweg an vorbei an der Skiflugschanze. Am Freibergsee wurde eine kurze Rast eingelegt, bevor der Weg die Gruppe – das Wetter war inzwischen in schön und sonnig umgeschlagen - hinab zur Stillach führte. Weiter ging es seitlich des wild zu Tal stürzenden Gebirgsflusses bis zur Möserbrücke. Von hier war es bis zum Hotel nicht mehr weit.

 

Mittwoch, 12.06.2013

Das Wetter bestätigt die Vorhersagen: Sonnig, warm, fast wolkenfrei.

Werner hat den „starken Wanderern“ die Wanderung zur Gaisalpsee vorgeschlagen, Martin dagegen präferiert für die „Wanderer“ eine Wanderung entlang der Stillach, beginnend an der Berggaststätte Einödsbach. Beide Gruppen sind heute nahezu gleich stark.

Mit dem Bus fahren die „Bergwanderer“ bis Reichenbach (867) und steigen dort über denSerpentinenweg in den Berg. Sehr anstrengend aber überaus schön ist dann der Aufstieg durch den Gaisalptobel zur Gaisalpe (1194). Die sich hier anbietende Rast erscheint allen zu früh; sie wird für den Rückweg aufgespart.

Der weiter führende Pfad hinauf zum Sattel kreuzt mehrere stark Wasser führende Bergbäche, deren Querung einigen Wanderern erhebliche Probleme bereitet. Hier hilft Werner mit seiner langjährigen Bergerfahrung und Umsicht.

Bald ist der untere Gaisalpsee erreicht, das Tagesziel. Den Gipfel des Rubihorn überlassen wir den jüngeren Bergwanderern, die gemsenartig mit federnden Schritten und leichtem Gepäck weiter streben. (Birgitt und Werner haben sich das Rubihorn an einem der beiden Tage nach der Abfahrt der Gruppe alleine „vorgenommen“ und den Gipfel erklommen. Großartig!)

Der Abstieg erfolgt nach kurzer Rast auf dem gleichen Weg. In der Berggaststätte Gaisalpe belohnt sich jeder mit einem frischen Getränk, mancher auch mit Kaiserschmarren oder anderen Leckereien.
Über den komfortabel beschaffenen „Wallraffweg“ gelangen wir danach zurück nach Oberstdorf.   
                                                                                                              

Derweil haben die „Wanderer“ unter Martins Führung die Haltestelle Einödsbach (1114) erreicht. Die Wanderung seitlich der Stillach ist entspannend, das Rauschen des zu Tal schießenden Wassers unterhaltsam, die von der Sonne gewärmte leicht feuchte Luft erfrischend. Man lässt sich zum Gipfel des Fellhorn fahren und genießt die herrliche Sicht. Daran anschließend nutzt der größte Teil der Gruppe die Gelegenheit, die Wanderung an einer der nahen Bushaltestellen zu beenden, während der kleine Rest nach einem Abstecher zur Skiflugschanze an der Stillach zurück zum Hotel wandert.

Auf der Hotelterrasse bei Kaffee und Kuchen waren alle mit dem heutigen Tag und dem Erlebten überaus zufrieden.

 

Donnerstag, 13.06.2013

Auch heute ist herrliches, sonniges Wanderwetter. Allerdings sind die Wetterprognosen wenig optimistisch. Martin und Werner raten daher, die für Sonnabend geplante Wanderung im Umfeld des Walmendinger Horns vorzuziehen.

Bis auf Kurt fahren alle mit dem Bus ins Kleinwalsertal bis Mittelberg. Die Bergbahn bringt uns hinauf zum Walmendinger Horn (1990). Der Blick von dort oben ist atemberaubend, die klare Luft erlaubt eine weite Sicht.

Werner hat für die „starken Wanderer“ einen anspruchsvollen Weg über die Obere Lüchlealpe, Innere Stierhofalpe und Starzelalpe vorgesehen mit Abstieg ins Durabachtal und weiter bis Baad, eine wahrlich anspruchsvolle, aber auch schöne Wanderung. An ihr nehmen 8 Wanderer - auch Martin - teil, die später begeistert berichten von der wunderschönen Bergtour bei so tollem Wetter.
 

Die „Wanderer“ – heute unter meiner Führung – lassen sich nach dem Genuss der herrlichen Aussicht vom Walmendinger Horn wieder nach Mittelberg hinab fahren und laufen auf dem Baader Höhenweg nach Baad. Nahe dem Erlenboden lockt eine Schankwirtschaft zu einer Einkehr. Dem können wir nicht widerstehen. Neben Buttermilch und anderen Erfrischungen bietet die tüchtige Wirtin Gläser mit Ghee (Butterschmalz) an. Wir erfahren, dass Ghee das Immunsystem stärkt und die Lymphe reinigt. Wir erwerben ein Glas für Dietrich. Er wird es gebrauchen können.

Baad ist bald erreicht. Wir besichtigen die hübsche kleine Kirche, bevor wir den Rückweg entlang der Breitach antreten. Der sehr bequeme Weg seitlich des Berggewässers führt uns von einem schönen Ausblick zum noch schöneren. Die Bushaltestellen an der oberhalb verlaufenden Fahrstraße erlaubt einigen Gruppenmitgliedern, die Wanderung nach eigenen Bedürfnissen abzubrechen. Bis nach Riezlern, dem Tagesziel, gelangen so nur zwei Wanderer….

Für alle war es nach den Berichten beim Abendessen ein erlebnisreicher Tag; die „Starken Wanderer“ sind von ihrer Tour begeistert: Sie konnten sich endlich einmal richtig „austoben“

 

Freitag, 14.06.2013

Dem Wetterbericht entsprechend ist der Himmel verhangen, Bei uns zu Hause würde man das als „Schmuddelwetter“ bezeichnen. Wirwollen dennoch zum Nebelhorn – mal schauen, was dort möglich ist …

Der Monitor in der Talstation zeigt Sonne über einer geschlossenen Wolkendecke! Also, schnell in die Kabine der Nebelhornbahn und hinauf! Umsteigen in der Station Seealpe (1267) im Nebel. In der Bergstation Höfatsblick (1929) angekommen, ahnt man blauen Himmel über der Nebelbank. Also auf zum Gipfel (2224).

Wow! Die Wolkendecke reicht bis ca. 2000 m NN und versteckt alles, was darunter endet. Der Blick konzentriert sich auf die Höchsten der Region: u.a. Großer Daumen (2280), Wangenkopf (2200), Rotkopf (2195), Schneck (2268), Hochvogel (2593) und einige mehr. Ein überaus beeindruckendes Erlebnis, das uns still, fast andächtig stimmt. Um dieses Erlebnis wird uns manch einer beneiden.

Mir drängt sich der Song von Reinhard Mey auf:

 

Über den Wolken

muss die Freiheit wohl grenzenlos sein,

alle Ängste, alle Sorgen,

sagt man,

bleiben darunter verborgen

und dann

würde, was uns groß und wichtig erscheint,

plötzlich nichtig und klein.

 

Als wir uns fast satt gesehen haben, fahren wir wieder hinab zum Edmund-Probst-Haus. Hier führt uns Werner auf den Panoramaweg, den der Schnee bereits freigegeben hat. Wir bestaunen die Blumenvielfalt, die sich am Schneesaum bereits freigegraben hat und sich nun in schönster Pracht den Bewunderern, auch den Fotografen entgegenstreckt.  
Bisher bestand unsere Wanderung vorwiegend aus Schauen, Staunen und Bewundern. Deshalb führt uns Werner an die Mittelstation, Station Seealpe, auf den ca. 3 km langen Erlebnisweg "Uff d'r Alp", dessen Fernblicke uns der Nebel leider vorenthält. Wir erfahren stattdessen auf den eingerichteten interaktiven Erlebnisstationen Spannendes über die Natur, die Bergwelt und die Alpwirtschaft.

Nach einer urigen Einkehrin die Vordere Seealpe fahren die Meisten mit der Bergbahn hinab nach Oberstdorf.

Einige hatten noch nicht genug: Auf dem abenteuerlich anmutenden Tobelweg stiegen sie ab und kamen zur großen Überraschung bei klarem Himmel und herrlichem Sonnenschein an der Schattenbergschanze in Oberstdorf an. So bekam der Tag zu dem einmaligen Erlebnis auf dem Nebelhorn noch einen Abschluss auf der Terrasse mit Kaffee und frischem Kuchen.

 

Sonnabend, 15.06.2013

Die Organisatoren haben die wohl schönste, eindrucksvollste Wanderung für heute aufgespart: Erst heute ist die Strecke von der Kanzelwand zum Fellhorn schneefrei und gut begehbar. Auch das offene Wetter belohnt den heutigen Tag.

Wieder fahren wir mit dem Bus ins Kleinwalsertal bis Riezlern. Die Kanzelwandbahn bringt uns hinauf zur Bergstation (1886).

Werner hat für die „starken Wanderer“ eine Strecke vorgesehen, die über die Fellhornspitze (2038) führt, den Schlappoltkopf (1988), Sölleralpe zum Söllerhaus.

Den „Wanderern“wird der „Blumenlehrpfad“ bis zur Mittelstation (1780) empfohlen und ab der Talstation dann der Weg entlang der Stillach bis Oberstdorf.

Leuchtende Augen der „Starken“ zeigen das zufriedene Glücksgefühl, das man nach einer erfolgreichen Prüfung empfindet. Sie werden von den Anderen bewundert. 

Diese zeigen ihre Fotos von der Blumenpracht seitlich des bequemen Weges zwischen Kanzelwand und Schlappoltsee. Die Krokusse können das Abtauen der Schneekanten kaum erwarten und „schießen“ buchstäblich empor, bieten sich - gierig nach Beachtung -  den schwirrenden und krabbelnden Insekten an.

Die Verlockungen des Berggasthofes Bierenwangalpe indes warenfür einige so stark, dass sie hier bleiben und die Sonne genossen. Die Anderen erwanderten den Rückweg und sogen ein letztes Mal vor der Heimreise das Panorama der Bergwelt auf.

 

Nach dem Abendessen fand traditionsgemäß der „Heimabend“ statt. Der „Festausschuss“ – bestehend vornehmlich aus Karen, Hildegard, Helgaline und Reimer – resümiert in gewohnt lebendiger, humorvoller Weise die Wanderfahrt und würdigt die Organisatoren wie auch Frau Kuß als Leiterin des Hotels Luitpold.

 

   

Sonntag, 16.06.2013

Heimreise. Um 9:00 Uhr stehen die Taxen vor dem Hotel und bringen uns samt Gepäck zum Bahnhof Oberstdorf. Nach 2-maligem Umsteigen in Stuttgart und Hamburg erreichen wir Kiel mit leichter Verspätung gegen 21 Uhr.

 

Es waren wunderschöne, erlebnisreiche Tage – eine von Dietrich mit Unterstützung von Werner exzellent vorbereitete Reise. Die Wanderungen haben vielen gezeigt, dass ihre eigenen Leistungsgrenzen weiter reichen als gedacht. Andererseits hat die Unternehmung insbesondere den Wanderführern der „Wanderer“ gezeigt, wie lebendig, spontanund flexibel die Wandergruppe der Sektion Kiel ist.

 

Dieses war Dietrichs letzte Wanderfahrt, die er für die Wandergruppe organisiert hat. Am 18.Juli 2013 verstarb er. Wir werden ihn sehr vermissen.

 

 

Text:   Wolfgang Keibel
Fotos: Renate Kunschmann (RK)       
           Wolfgang Keibel (WK)