Wanderfahrt nach Lechleiten

vom 31. August bis 9. September 2021

Warum eine der schönsten Wanderfahrten nach Lechleiten in den Lechtaler Alpen? Zum einen wegen des Wetters, denn nachdem wir 6 Teilnehmerinnen vom Senior-Hotelier Oskar bei unserer verregneten Ankunft am Bahnhof Reutte („Nur Mädel?“) als ankommender „Altweibersommer“ begrüßt worden waren, machten wir diesem Namen alle Ehre und brachten nach tagelangen heftigen Niederschlägen stabiles Sonnenwetter ohne einen Regentropfen. Außerdem eine der schönsten, weil die Fahrt von Helga Palm für die Wandergruppe der DAV-Sektion Kiel super organisiert war, weil die Gruppe sehr gut harmonierte, viel Spaß hatte, es keine Ausfälle oder Verletzungen gab und weil die Auswahl der Wandertouren für alle prima passte und es alle genossen, in die Alpen einzutauchen. Es gab keine Probleme, und wenn welche aufgetreten wären, hätten wir sie sicher gemeinsam konstruktiv gelöst.

Wieder im Hotel Alpenrose

Nun der Reihe nach. Unser Glück fing eigentlich schon vor der Anreise an, da die Eisenbahner ihre vielen Streiktage sorgfältig um unsere beiden Reisetage herum gelegt hatten, sodass die Fahrt wie geplant vom 31.8. bis zum 9.9.2021 stattfinden konnte. Darüber hinaus bekamen wir sowohl hin wie auch zurück jeden einzelnen vorgesehenen Zug bzw. Schienenersatzverkehr – wenn auch kaum einen ruhig und entspannt. Geübte Bahnfahrer wissen das Wunder zu würdigen, dass wir am Anreisetag trotz fast einstündiger Verspätung unterwegs wie geplant pünktlich zum Abendessen in der Alpenrose eintrafen. Unser Hotel in Lechleiten erwartete uns teilweise frisch renoviert, aber mit altvertrauten Gesichtern der Familie Bickel (vor allem Manuela und Fredy), die ihrerseits

die vertrauten Kieler Gesichter herzlich begrüßten.

Rund um den Grüner

Der zweite Tag schenkte uns einen bezaubernden Morgen mit strahlender Sonne über den Bergen und Nebel im Tal. Wir starteten zu einer als Einsteigertour deklarierten Wanderung „Rund um den Grüner“, die sich dann aber aufgrund des vorausgegangenen, anhaltenden Dauerregens als für uns durchaus anspruchsvoll erwies: Die Hände mussten zu Hilfe genommen, einige Abwärtsstufen vorsichtshalber mit Sicherung durch den Po bewältigt werden – wir waren nun einmal Flachlandtiroler, die sich in Corona-Zeiten den Alpen entfremdet hatten. Aber alle verfügten dann doch über genügend technische Kenntnisse, um gut durchzukommen. Wir genossen Sonne und Berge, und die Natur belohnte uns mit dem Anblick einer etwa 50-köpfigen Gämsenschar, die, von einem Helikopter aufgeschreckt, dicht an uns vorbeisprang. Und nach der Rückkehr belohnten wir uns bei unserer Wirtin Manuela mit einem leckeren Apfelstrudel. Wie am sich denken kann, haben wir ein solches Ritual an wechselnden Orten und mit wechselnden festen und flüssigen Stärkungen nahezu täglich durchgeführt.

Wanderung nach Bürstegg

Wir kamen langsam in einen Wandermodus, und doch glich kein Tag dem anderen, denn es gab neben Flora und Fauna immer neue landschaftliche, kulturelle und geologische Schwerpunkte. An Tag 3 erkundeten wir über Warth und Steffisalpe die Kultur und Geschichte der Walserdörfer am Beispiel von Bürstegg und stiegen dann zur Bodenalpe ab. An diesem Tag zeigte sich übrigens zum ersten Mal unsere (speziell Gabys) faszinierende Anziehungskraft für Schmetterlinge, die uns auch in den nächsten Tagen erfreute/n.

Gipslöcher und Kriegeralpe

Wir dehnten an Tag 4 unseren Radius weiter aus, indem wir nach Lech und per Gondel und Lift bis auf den Petersboden fuhren, wo Helga uns die beeindruckenden Gipslöcher zeigte und erklärte. Die Hälfte der Gruppe stieg anschließend aufs Kriegerhorn (2167m) und erreichte hier das erste Gipfelkreuz. Als wir in der Kriegeralpe wieder zusammentrafen, waren wir uns aber einig in der Skepsis gegenüber den breiten, autobahnähnlichen Wegen in diesem Bereich und gegenüber den Touristenströmen, in denen wir hier mitschwammen. So beschlossen wir kurzerhand, nach Warth zurückzufahren und von dort auf einem Teilstück des bekannten Lechwegs nach Lechleiten zurückzuwandern. Der Plan ging auf – eine schöne, ruhige, naturnähere Strecke, die wir fast für uns allein hatten.

Panoramaweg von Holzgau nach Bach

Die Wanderung an Tag 5 knüpfte gleich an mit dem Lechweg-Abschnitt von Holzgau bis Bach. Es war ein gemütlicher Wandertag mit einer imposanten Hängebrücke in Holzgau, vergessenen und wiedergefundenen Stöcken, einer neu erfundenen Rückentrocknungs-Methode, einem verlorenen Sonnenhut – und nicht zuletzt war abends ein am Morgen im Badezimmer ertränktes Handy wieder trocken und funktionsfähig. Also ein ganz normaler Tag mit ganz normalen Reiseereignissen, die unserer guten Laune keinen Abbruch taten.

Über das Auenfeld zum schönsten See Österreichs - der Körbersee

Tag 6, ein Sonntag, sollte uns an den See mit dem Prädikat „Schönster See Österreichs“ führen, den Körbersee. Leider wurde es keine gemeinsame Wanderung, da ich bei der Abfahrt an der Bushaltestelle einen Schuhbeutel liegengelassen hatte und zurückmusste, somit der Gruppe im Abstand von einer Stunde hinterherlief und sie wider Erwarten nicht fand. (Man hatte doch tatsächlich die geplante Einkehr übersprungen!) Als wir beim Abendessen zusammentrafen, fiel die Tagesbilanz unterschiedlich aus: Die Hauptgruppe hatte zwischen nervenden Kühen gepicknickt und außerdem Zeitstress gehabt, weil der Bus so selten fuhr. Ich war dagegen angetan von der Einkehr am See, dem Klang der Kuhglocken als Begleitmusik und bekam außerdem ein Mitfahrangebot, sodass ich gar nicht merkte, dass ich mit dem Bus Probleme bekommen hätte. Beim Abendessen und anschließenden gemeinsamen Würfelspiel war die Stimmung aber wieder lustig wie immer.

Geologische Erkundung am Rüfikopf

Der 7. Tag schenkte uns auf dem Rüfikopf endlich die erste Begegnung mit Murmeltieren, aber nur kurz und nur wenige, da einfach zu viele Menschen und zu viele Hunde unterwegs waren. Die Geowanderung im Gipfelgebiet war interessant, ebenso die Pflanzen, die uns Fachfrau Helga immer kompetent benennen und erklären konnte, und das alles war eingebettet in einen beeindruckenden Rundblick auf die umliegenden Berge, die Alläuer, die Lechtaler und die Arlberger Alpen.

Nach der Abfahrt nutzten wir den Nachmittag für ein weiteres Teilstück des Lechwegs von Lech bis zur Bodenalpe. Dummerweise waren ohne Vorwarnung nach der Hälfte der Strecke 200 Meter wegen Waldarbeiten gesperrt, breite Maschinen machten die Passage unmöglich, ein Ausweichen neben dem Weg war ausgeschlossen. Umkehren? Nein! Wir mobilisierten all unseren norddeutschen Charme, und siehe da: Man versetzte kurzerhand nur für uns den riesigen Trecker, winkte uns durch, und so blieb uns ein großer Umweg erspart. Das Glück blieb uns hold: genug Zeit für die Einkehr in der Bodenalpe und ein entspanntes Erreichen des Busses. Und wieder ging ein Tag mit einem faszinierenden Sternenhimmel zu Ende.

Mit Fredy zur Kaisersalpe

Am 8. Tag sollte endlich die lang erwartete Tour mit Koch und Wanderführer Fredy stattfinden. Dieser hatte geschickt taktiert, alle anderen Hausgäste sagten ab, und so fuhren wir Kieler mit ihm als geschlossene Gesellschaft ins Kaisertal, wo wir zunächst eine weitere Hängebrücke querten und schließlich zur Kaiseralpe aufstiegen. Alle genossen den professionellen Wanderführer allgemein und Fredys lustige, umsichtige Gesellschaft im Besonderen, mit ihm bzw. durch ihn sahen wir nun endlich zahlreiche Murmeltiere. Wir erfuhren viel über Tiere und Menschen in Tirol, über die Wirtschaftsfaktoren mit und ohne Corona, den Alltag und das Leben der Einheimischen. Und natürlich war es etwas völlig anderes, mit dem überall bekannten Fredy einzukehren, als wie sonst als Gruppe älterer norddeutscher Damen. Prompt bot man uns gleich die Spezialität der letzten Schlachtung an, die Wurst war ein Gedicht. Und der Tag absolut gelungen.

Auf zur Jöchlspitze (fast)

Der letzte Wandertag führte uns noch einmal talabwärts nach Bach zur Eroberung der Jöchelspitze (oder fast). Etliche Paraglider schwebten beschaulich in der von der Sonne erwärmten Luft vor den Berghängen. Wir sahen ihnen mit etwas gemischten Gefühlen zu, da uns im Bus einer von ihnen (am großen Rucksack eindeutig zu erkennen) sehr plastisch vom schweren Unfall seines Reisebegleiters zwei Tage zuvor berichtet hatte. Da blieben wir doch gerne auf unseren zwei Beinen und widmeten uns den Blumenwiesen und Blumentafeln am Wegrand. Das Bergheumuseum auf halbem Weg zum Gipfel war klein, aber interessant. Nach der Gondelabfahrt sahen wir uns dann aber plötzlich am letzten Tag mit unserem ersten, kollektiven Planungsfehler konfrontiert: Niemandem war aufgefallen, dass die fest eingeplante Hütte an der Talstation ihren Ruhetag hatte. Das Problem war natürlich schnell gelöst: Wir stiegen, da gerade kein Bus fuhr, zu Fuß nach Bach ab und wiederholten unsere Einkehr in der Post vom 5. Tag.

Abschied

Unsere Zeit war um, am nächsten Tag brachten das Hotel-Taxi, ein Schienenersatzverkehr und drei Züge eine sehr zufriedene, entspannte Gruppe nach Kiel zurück. Wir hatten nach etlichen Corona-Lockdowns endlich wieder eine DAV-Wanderreise durchführen können! Es fiel uns leicht, mit den Corona-Regeln der Österreicher umzugehen, wir hatten freundliche Gastgeber in einem beschaulichen Dorf (die vielen kleinen Sternenhimmel-Abendspaziergänge einzelner oder in Kleingruppen sollen hier auch noch erwähnt werden), wir haben die Wanderungen und die Alpen und das Miteinander sehr genossen. Dies alles durchaus in dem Bewusstsein, dass auch wir ein Teil des Tourismus-Booms sind, der gleichzeitig die Alpen erhält und an ihnen nagt.

Lechleiten, die letzte (?) – eine gelungene! Danke, Helga, für deine schöne letzte Fahrtleitung!

Text: Anne Knöß
Fotos: Silke Seemann und Anne Knöß