Auf und neben dem Berliner Höhenweg 2005

Planung und Anreise

Dem Vorschlag von Manfred folgend haben sich sieben Mitglieder der Bergwandergruppe entschieden, in diesem Sommer den Berliner Höhenweg im Zillertal unter die Stiefel zu nehmen. Als Treffpunkt wurde die Gamshütte (1921 m, über den Hermann-Hecht-Weg von Finkenberg in gut 2,5 h Aufstieg zu erreichen) vereinbart, auf der sich an besagtem Tage Anfang August auch alle (Dagmar, Susanne, Heinrich, Martin, Kay, Manfred und meine Wenigkeit) wohlbehalten einfanden. Manfred und ich erst gegen 19:00 Uhr und doch etwas angeschlagen, da wir direkt mit dem Auto angereist waren. Nach einem warmen Essen und anschließendem gemütlichen Bier verschwand denn auch bald einer nach dem anderen ins Matratzenlager.

Ab- und Aufstieg

Der nächste Tag empfing uns mit einem Frühstück im gemütlich warmen Gastraum und Schmuddelwetter nebst tief hängenden Wolken vor der Tür. Eigentlich war für heute die lange Etappe über den Höhenweg bis zum Friesenberghaus geplant. Der Hüttenwirt riet jedoch von der Passage ab. Für den Lauf des Tages war nämlich ein Absinken der Schneefallgrenze auf 1600 m angekündigt. Also machten wir uns an den Abstieg Richtung Finkenberg. Schnee fiel an diesem Morgen zwar nicht, dafür begleitete uns aber ein warmer gleichmäßiger Regen. Unten im Ort  war nicht klar, wann es mit dem Bus weitergehen würde, und so beschlossen wir, mit dem Auto ins Zemmtal nach Ginzling zu fahren. Dort angekommen hieß es zunächst - warten. Die Zeit wurde glücklicherweise verkürzt durch eine warme Speckknödelsuppe (wer hätte gedacht, dass man im Sommerurlaub mal eine moralische Stärkung durch warme Suppe braucht). Dann kam endlich der Bus und es ging weiter zum Schlegeisspeicher. Die Fahrt bis dort war leider kurz, viel zu kurz, wie ein Blick aus dem Fenster zeigte, und so mussten wir wieder raus in den Regen. Was anfänglich noch Regen war, vermischte sich bis zu unserer Ankunft auf dem Friesenberghaus (2477 m) auch noch mit Schnee. Keine guten Aussichten für unser Vorhaben, zumal es am nächsten Tage auch nicht besser werden sollte. Der einzig warme Raum auf der Hütte indes schien der Gastraum zu sein, denn auf unserem Lager hatte es nach Heinrichs mobiler Wetterstation gerade mal 8°C. Manfred, Heinrich und ich hatten es dabei noch gut - die anderen hingegen lagerten im Nebenraum, der war mindestens ein halbes Grad kälter als unserer - wie sie nicht müde wurden zu betonen. Kay 'outet' sich hier sogar als 'Gruppenfeind', da er mit Mütze im Bett lag und somit seinen positiven Beitrag zur Wärmebilanz des Raumes verweigerte.

Schneegestöber

Der Morgen war dann noch ernüchternder als am Vorabend erwartet. Draußen war alles weiß und außerdem pfiff ein recht kühles Lüftchen. Nach dem Frühstück saßen wir also wieder zusammen und beratschlagten wie es weitergehen sollte. Eigentlich war als Tagesziel das Furtschaglhaus (auf 2293 m) am Ende des Schlegeisspeichers geplant, aber die Wegverhältnisse sprachen dagegen. Nach einigem Hin und Her beschlossen wir dann, es wenigstens bis zur Olperer Hütte (auf 2388 m) zu versuchen. Von dort hätten wir eh zum Speicher absteigen müssen. Gegen 08:30 Uhr brachen wir auf und hatten Glück. Zwar war alles mit Schnee bedeckt und es war etwas kalt, jedoch hatten zwei Wandergruppen vor uns eine deutliche Spur hinterlassen. Dieser konnten wir ohne große Höhendifferenz in gut 3 Stunden bis zur Hütte folgen. Während der Wanderung riss die Wolkendecke gelegentlich auf und gab den Blick auf ein herrlich zerklüftetes Bergpanorama frei. Da es nach Ankunft auf der Hütte allerdings schnell wieder zu schneien begann, entschieden wir uns nicht zum Furtschaglhaus weiter zu ziehen. Für den Folgetag hätte dann, um zur Berliner Hütte zu gelangen, die Überschreitung des Schönbichler Horns auf über 3000 m angestanden. Das jedoch erschien uns aufgrund der Wetterlage und der damit verbundenen Vereisungsgefahr als zu riskant. So blieben wir also den Rest des Tages auf der Hütte und vertrieben uns die Zeit mit Kaffee, Kuchen, Lesen und Kartenspielen. Nach dem Abendessen hielt der Wirt  einen kleinen Vortrag über die Geschichte der Hütte und gab auch einige Berggeschichten zum Besten. So erfuhren wir auch, dass die Versorgung der Hütte Tag für Tag  zu Fuß geschehen muss. Der Gastraum, in dem wir saßen, entsprach dem ersten ursprünglichen Gebäude, dass trotz mehrfacher Erweiterungen zu klein war.

Aus diesem Grunde soll das Gebäude abgerissen und durch einen kompletten Neubau mit ca. 90 Schlafplätzen ersetzt werden. Schade ist es schon, denn gerade die räumliche Enge macht für mich den Hüttencharakter aus. Der Gastraum soll immerhin in die neue Hütte wieder reinkommen.

Schon wieder Busfahren

Der nächste Morgen empfing uns dann mit leichter Bewölkung. Der am Vortag gefallene Schnee war komplett abgetaut und so machten wir uns an den Abstieg zum etwa 600 Höhenmeter tiefer gelegenen Schlegeisspeicher. Angekommen stiefelten wir unserer Nase folgend ein Stück die Straße entlang und rasteten an einer Stelle, die mit großen Lettern ‚BUS’ auf das Verkehrsmittel verwiesen, dass einer intelligenten Bergwandergruppe beim komfortablen Vorankommen zwischen zwei Hütten behilflich ist - wer geht schon zu Fuß, wenn er sich fahren lassen kann. Nach gut einer Stunde Wartezeit war es Susanne, die eine Gruppe von Tageswanderern ansprach, wie sie denn eigentlich hierher gekommen seien. Mit dem Bus natürlich, weiter unten an der Straße - prima, also schnell den Rucksack geschultert und los, damit wir den nicht auch noch verpassen. Ein Stück die Straße hinunter am Breitlahner Gasthof stiegen wir schon wieder aus und nahmen dann die gut 960 m Höhendifferenz zur Berliner Hütte, dem Ziel des heutigen Tages, in Angriff. Zunächst ging es auf landwirtschaftlich genutzten Wegen durchs Zemmtal. Heinrich verschwand an der ersten Alm auf eine Milch (das sollte in den folgenden Tagen noch häufiger vorkommen) und Kay war damit beschäftigt, herumliegende Felsbrocken nach Schwierigkeitsgraden fürs Klettern zu sortieren - geht, geht nicht, wird heikel, usw. Nach einer Pause änderte sich Landschaft endlich und am Wegesrand war das erste Edelweiß dieser Woche zu erblicken.

Beim Betreten des Speisesaales wurde schnell klar, warum die Berliner Hütte den Ruf eines Grand Hotels in den Bergen hat. Selbiger gereicht einem kleinen Festsaal mit geschätzten vier Metern Deckenhöhe. Er ist komplett in Holz getäfelt und auch an Kronenleuchtern fehlt es nicht. Nach Süden eröffnet eine breite Fensterfront mit vorgelagerter Terrasse den Blick auf Waxegg- und Hornkees.

Untergebracht waren wir im Dachgeschoss des Nebengebäudes, das auch als Winterraum dient. Nach einer warmen(!) Dusche fanden sich alle auf der sonnigen Terrasse bei Kaffee und leckeren Germknödeln ein.

Auf- und Abstiege

Am nächsten Tag konnten wir dann zum ersten Mal auf dieser Tour bei richtig blauem Himmel aufbrechen. Die erste Stunde führte uns gemächlich am Fuße des Großen Ochsner entlang zum Schwarzsee auf 2472 m. Nach einer kurzen Rast ging es von hier aus in kräftigem Anstieg zum Geröllfeld unterhalb der Mörchenscharte. Auf dem Weg dahin trennte ich mich von der Gruppe um noch die Besteigung des Kleinen Mörchner zu versuchen. Warum? Keine Ahnung, raufgekommen bin ich jedenfalls nicht. Auf dem Rest der Etappe musste ich mich später allerdings mächtig beeilen, ansonsten hätte ich auch noch das warme Essen verpasst. Gegen 14:30 Uhr saß auch ich zu einer kleinen Rast und Plausch mit einem Münchner in der Scharte (auf 2872 m). Die letzten ca. 25 Höhenmeter dorthin waren recht steil und durch das Laufen im rutschigen Altschnee etwas unangenehm. Von dort aus war der Blick dann frei auf das Ziel der heutigen Tagesetappe, die Greizer Hütte (2227 m). Der Weg dorthin führt zunächst seilversichert und später in schier endlosen Serpentinen über ca. 1000 Höhenmeter hinab auf den Floitengrund. Im unteren Teil gibt es noch einmal Seilversicherungen und zum Abschluss eine Leiter. Auf dem Grund selbst geht es dann über viel Blockwerk, wobei eine herrlich schaukelige Brücke beim Passieren des Karbaches hilft. Schließlich bleiben noch etwa vierhundert Meter Anstieg bis zur Hütte. Als ich um etwa 17:30 Uhr dort eintraf, war ich froh aus den Stiefeln zu kommen und Susanne dankbar dafür, dass sie mir meinen Rucksack aufs Lager trug. Nach gemütlichem Essen und Trinken saßen wir dann wieder beim Kartenspielen - an diesem Tage allerdings nicht so lange, längere Wanderungen machen sich eben doch bemerkbar.

Weite Wege

Der nächste Tag begrüßte uns abermals mit blauem Himmel. Kaum losgelaufen verschwand Heinrich wieder schnell auf eine Milch. Die erste Stunde verlief der Weg weitestgehend im Schatten, erst gemächlich, später in Serpentinen zügig ansteigend, hinauf in die Lapenscharte auf 2701 m. Auch von hieraus ließ sich das Ziel der Tagesetappe bereits erkennen, die Kassler Hütte auf 2178 m. Zunächst ging es aber eine gute Stunde über viele Blöcke hinweg hinab ins Kar. Bei einer weiteren Pause und einem Plausch mit zwei entgegenkommenden Wanderern gab es schon mal einige Informationen für die Etappe des Folgetages. Wir passierten die Elsenklamm (abschüssiges Gelände, teilweise seilversichert). An einer nur mit einigen Eisennägeln gesicherten Stelle über schräge, nasse Steinplatten hatte Manfred Pech und rutschte  aus, ohne sich noch abfangen zu können. Das war ein Schreck für alle, so ging es mit etwas gedrückter Stimmung weiter bis zur Hütte. Später in Kiel stellte sich heraus, dass er Glück im Unglück und sich beim Sturz 'nur' eine starke Prellung zugezogen hatte. Auf der Hütte angekommen, gab es zunächst Irritationen, da die Wasserversorgung der Hütte ausgefallen war – also auch nichts mit Toilette. So fanden wir uns zunächst bei Strudel und Kaffee auf der sonnigen Terrasse und später im warmen Gastraum wieder. Nach dem Essen wieder das obligatorische 'Abendschwimmen' und danach hinein in ein mit ca. 25 Personen gefülltes Matratzenlager. Manfred und ich waren uns einig, dass wir die Nacht bei dem Getobe einiger Kinder bereits als schlaflos abgehakt hatten - nach einem entschiedenen 'Ruhe jetzt !' des Vaters herrschte auf den gegenüberliegenden Bettgestellen jedoch wirklich absolute Ruhe.

Sieben Schneiden

Am nächsten Tag erwartete uns das Highlight dieser Tour, die Wanderung auf dem Aschaffenburgen Höhenweg. Er trägt auch den Namen Siebenschneidensteig, da er durch aufeinander folgende Karfelder verläuft, die jeweils durch einen Grat voneinander getrennt sind, eine Schneide eben. Da die Gehzeit mit 7,5 - 10 Stunden angegeben ist, brachen wir schon morgens um 07:15 Uhr auf, wieder bei sonnigem Wetter. Nach kurzem Ab- und Anstieg hinter der Hütte verläuft der Weg ohne nennenswerte Höhendifferenz mal im grasbedeckten Hang, dann wieder in Blockwerk. Bei der ersten Pause am Hennsteigenkamm gab uns ein entgegenkommender Wanderer noch Informationen über den Wegzustand. Weiter ging es, fast ausschließlich über Felsblöcke, wobei wir uns schon etwas wie die Gemsen vorkamen, die unterwegs zu beobachten waren. Später entdeckten Dagmar und Martin (angeblich) noch Murmeltiere (wahrscheinlich haben sie aber fantasiert und hatten in Wirklichkeit einfach nur Hunger). Die beiden vorletzten Schneiden (Noferten und Krummerschnabel) gestalteten sich als die interessantesten. Hier sind aufgrund der Ausgesetztheit abermals Seilversicherungen abgebracht. Die jeweilige Nordseite war, wie der Wanderer uns zuvor gesagt hatte, nach dem Tauwetter noch immer feucht und deshalb ein wenig mit Vorsicht zu genießen. Im Popbergschneid verweilten wir dann noch einmal mit Blick zurück auf durch den Stillupgrund wo wir am heutigen Morgen aufgebrochen waren und Blick auf die Edelhütte (2238 m), die das Ziel der Etappe sein sollte. Manfred ist zwar den ganzen Tag etwas schief gelaufen, hat sich aber trotz der Schmerzen durch die Prellung sehr wacker geschlagen. Gegen 16:30 Uhr waren wir dann am Ziel und hatten ausreichend Zeit, die zurückliegenden Tage noch einmal Revue passieren zu lassen.

Endgültiger Abstieg

Gegen 08:30 Uhr brachen wir zu unserer letzten Etappe dieses Sommers auf. Nach gut einer halben Stunde trennten wir uns von Dagmar und Martin, die den Abstieg nach Mayrhofen über die Alpenrose (1382 m) machen wollten. Wir anderen erreichten auf den letzten Drücker die Seilbahn und ließen uns hinunterfahren. Unten angekommen gingen Manfred und Heinrich dann schon vor ins Schwimmbad während wir anderen die Autos holten. Die Fahrt nach Kiel verlief dann unspektakulär, sehe ich mal davon ab, dass ich eine Beule in Sonjas Auto gefahren habe.

FAZIT: Der Berliner Höhenweg ist bei vorhandener Grundkondition eine Genusstour, die in einer Woche sehr gut zu schaffen ist. Der Siebenschneidensteig ist allerdings nur etwas für erfahrene Bergwanderer. Das Hüttennetz ist dicht genug, sodass man sich um die Versorgung keine Gedanken machen muss und mit wenig Gepäck unterwegs sein kann. Wer dort wirklich nach Abgeschiedenheit sucht, mag durch die Größe mancher Hütte vielleicht ein wenig enttäuscht werden.

 Text: Harry Fehlau