Sellrain, die unbekannte Seite der Stubaier Alpen

Ende August fand die letztjährige Hüttenwanderung der Bergwandergruppe im Sellrain statt. Das Sellrain ist der nördliche Ausläufer der Stubaier Alpen direkt über dem Inntal.

Sellrain - Potsdamer Hütte

Manfred, Erika, Almut, Helga, Susanne und ich trafen uns am Samstag in Sellrain, um von dort zur Potsdamer Hütte aufzusteigen. Leider dient der Hüttenweg auch als Fahrstraße zu einigen höher gelegenen Almen. An diesem Tag begegneten uns diverse Autos, die Vieh hochgefahren hatten, damit es rechtzeitig für den am nächsten Tag stattfindenden Almabtrieb zur Stelle war. Auf halber Strecke gab es ein Gasthaus, wo wir uns mit Kaffee und Kuchen stärkten. Danach ging es langsam weiter. Irgendwann zweigte dann der Hüttenweg von der Fahrstraße ab und am späten Nachmittag erreichten wir die Hütte - gerade als diese in den Wolken verschwand und es draußen ungemütlich wurde. Abends teilte uns Helga ihren Entschluss mit, dass sie die nächste Etappe aus gesundheitlichen Gründen nicht mit der Gruppe gehen, sondern absteigen und mit dem Bus nach Praxmar fahren würde.

Potsdamer Hütte - Praxmar

Die ganze Nacht über regnete es stark und als wir am nächsten Morgen nach dem Frühstück vor die Hütte traten, befanden wir uns in den Wolken. Immerhin hatte der Regen aufgehört. Der Wetterbericht für den Tag versprach Nieselregen bei niedrigen Temperaturen, dass heißt wir konnten froh sein, wenn wir keinen Neuschnee bekamen. Wir brachen zügig Richtung Roter Kogl (2834m) auf. Die Sicht war durch den Nebel auf die nächsten 100m beschränkt, genügte aber immer noch um die nächste Wegmarkierung zu sehen. Mittlerweile im Nieselregen erreichten wir mit nur zwei kurzen Pausen den Gipfel. Hier gab es weder Gipfelbuch noch Aussicht, es blies nur ein kalter Wind, also schnell weiter; Pause konnten wir auch anderswo machen. Irgendwann fanden wir eine etwas windgeschützte Mulde, in der wir uns eine zehnminütige Pause gönnten, danach ging es weiter steil bergab Richtung Praxmar (1687m). Je tiefer wir kamen desto angenehmer wurden die Temperaturen, doch erst als wir gegen 14 Uhr den überdachten Freisitz einer Jagdhütte fanden, konnten wir eine richtige Pause machen. Gut gestärkt machten wir uns auf das letzte Wegstück zu unserem Hotel. Wir hatten uns schon in Kiel entschieden, nicht die klassische Sellrain-Runde zu machen, was bedeutet hätte, daß wir bis zum Westfalenhaus noch ca. 2-3 Stunden unterwegs gewesen wären. So konnten wir den restlichen Nachmittag mit heißer Dusche und teilweise in der noch heißeren Sauna verbringen. Da es Helga nicht viel besser ging, entschied sie mit dem Bus direkt zur Dortmunder Hütte zu fahren und von dort aus Tagestouren zu unternehmen.

Praxmar - Pforzheimer Hütte

Am Montag nahmen wir nach einem reichhaltigen Frühstück den Übergang über das Satteljoch (2734m) zur Neuen Pforzheimer Hütte (2308m) in Angriff. Am Himmel strahlte inzwischen die Sonne und wir genossen während des Aufstiegs das Bergpanorama mit den verschneiten Bergspitzen. Am Joch angekommen entschied ich mich gegen einen kleinen Abstecher auf die Lamsenspitze, denn der Abstieg sah sehr steil aus und ich befürchtete, dass wir deutlich länger brauchen würden als in der Literatur angegeben. Doch der Weg war nur auf den ersten 100 Höhenmetern sehr steil und unangenehm, danach wurde es deutlich sanfter. Dieser Abstieg ist für Ungeübte nicht zu empfehlen. Im Wilden Kar fand Manfred eine gemütliche Wiese direkt an einem kleinen Bach. Hier machten wir erst einmal ausgiebig Pause mit Wassertreten und Sonnenbaden. Doch auch die schönste Rast geht einmal dem Ende entgegen und wir wanderten weiter Richtung Hütte und genossen den restlichen Nachmittag auf der sonnigen Terrasse.

Pforzheimer Hütte - Schweinfurter Hütte

Der nächste Tag sah nur den Weg über Gleirschjöchl (2750m) zur Schweinfurter Hütte (2034m) vor. Nach den bisherigen Etappen war dieser Tag deutlich kürzer. Da ich nicht gerne den halben Tag untätig auf einer Hütte sitze, entschloss ich mich, an diesem Tag noch den Gleirscher-Roßkogl (2994m) mitzunehmen, der vom Joch bequem in 45 Minuten zu erreichen ist. Während die Gruppe nach einer Pause weiterging, deponierte ich meinen Rucksack 100m oberhalb vom Joch. Die Aussicht vom Gipfel war großartig. Im Osten konnte ich den Wilden Kaiser und den Großglockner, im Norden das komplette Karwendel und im Westen bis zur Bernina sehen. Nur im Süden störte der Zwiselbacher Grießkogl das Panorama auf die Stubaier Berge. Im Abstieg kam mir Susanne entgegen, die bis zur Schulter nachgekommen war. Wir stiegen zusammen zum Joch ab, schulterten unsere Rucksäcke und machten uns auf die Verfolgung der Gruppe. Unspektakulär erreichten wir sie im Sonnenschein auf einer Wiese sitzend, die Füße in einem Bach kühlend. Nach einer längeren Pause stiegen wir gemeinsam zur Hütte ab. Abends wurde mit Hilfe der Hüttengitarre von sechs Bergwanderern ein kleines Konzert gegeben. Da die Lieder bekannt waren, haben fast alle Gäste mitgesungen. Der gesellige Abend endete leider mit der Hüttenruhe.

Peistakogel

Der Mittwoch war für Tagestouren in die Berge um die Schweinfurter Hütte vorgesehen. Almut stieg lieber in Richtung Tal nach Niederthai ab, während der Rest der Gruppe auf den Peistakogel (2740m) stieg. Durch das einsame Finstertal stiegen wir hinauf ins Wannenkar; den vermutlich alten Markierungen folgend ging es durch schrofiges Gelände auf den Grat, der uns zum Gipfel führte. Hier waren wir froh, dass der direkte Weg bedeutend einfacher war. In dieser sehr ruhigen Ecke des Sellrains sahen wir an diesem Tag nur noch einen weiteren Wanderer. Erika wollte noch ein wenig die Stille des Finstertales und Manfred die Blaubeeren am Wegesrand genießen, und so kamen Susanne und ich alleine am frühen Nachmittag an der Hütte an. Jetzt war es Zeit für einen Kaiserschmarrn. Manfred kam gerade noch rechtzeitig, um sich an der Vernichtung des Backwerks beteiligen zu können. Abends hatten wir noch genügend Hunger, um das gute Hüttenessen zu genießen.

Schweinfurter Hütte - Dortmunder Hütte

Das Wetter hatte schon am vorigen Nachmittag eingetrübt und für den Nachmittag war Regen angekündigt also beeilten wir uns mit dem Aufbruch am nächsten Morgen. Im Aufstieg zur Finstertaler Scharte (2796m) mussten wir erst einmal eine zwölfköpfige holländische Gruppe überholen. Zum Glück nutzten sie den erstbesten Platz um auf ihre Nachzügler zu warten. Wir gingen einfach ein Stückchen weiter und hatten wieder unsere Bergruhe. Auf dem Pass pfiff ein kalter Wind und wir beschlossen erst weiter unten Pause zu machen. Der nun folgende Abstieg wäre früher im Jahr mit Altschneefeldern deutlich unangenehmer gewesen. Manchmal muss man einfach zur richtigen Zeit vor Ort sein. Am Finstertaler Speichersee fanden wir einen gemütlichen Pausenplatz, den wir erst verließen, als am westlichen Himmel dunkle Wolken auftauchten. Den folgenden Abstieg nach Kühtai empfand ich als unangenehm. Wir erreichten die Dortmunder Hütte (1948m) am frühen Nachmittag zusammen mit dem einsetzenden Regen. Da für Freitag Dauerregen angesagt war, entschieden wir uns, die Heimreise anzutreten. So holten Manfred und ich noch am Nachmittag die Autos von Sellrain zur Dortmunder Hütte. Durch wenige Wolkenlöcher konnten wir am nächsten Morgen die verschneiten Berge sehen. Ansonsten war das Wetter eher neblig und nass. Der Abschied viel uns somit leicht.

 

Trotz der vielen Höhenmeter hielten sich die Gehzeiten auf unserer Tour (meist 5 oder 5 ½ Stunden) im Rahmen. Wer einsame Berge sucht, kleine gemütliche Hütten liebt und tägliche Auf- und Abstiege bis 1100 Höhenmeter nicht scheut, sollte den Sellrainer Bergen einen Besuch abstatten.

Kay Ahrend