Bericht über die literarische Wanderfahrt vom 6.bis 10.Mai 2012

„Also –geht doch ……“  in die Mark Brandenburg, auf den Spuren Theodor Fontanes und befolgt seinen Rat:
"An einem Sommermorgen, da nimm den Wanderstab.
E
s fallen deine Sorgen wie Nebel von dir ab."

 

Wir starteten an einem frühen Sonntagmorgen im Mai, bei einer Sonne, die die Frühlingslandschaft in pastellfarbenes Licht tauchte. Ein schöner Einstieg, um einen nicht so fernen Teil Ostdeutschlands kennenzulernen, mit seinen langen schmalen Alleen, aus Linden, Kastanien und Apfelbäumen. In der Gegend von Neuruppin kündeten bunte Plakate vom erfolgreich geführten Kampf gegen das Bombodrom, einem Heidegebiet, das in großen Flächen inzwischen von Minen befreit und als Wander-und Radfahrgebiet genutzt werden kann. Nach 320Kilometern und fünf Stunden Fahrtzeit kamen wir im Naturpark Stechlin an.

Heide und Karl Schilke hatten als Unterkunft einen historischen Gasthof, das Fontanehaus, in Neuglobsow, in Fußnähe des Stechlinsees gewählt. In der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts, als in dieser Gegend erfolgreich grünes Flaschenglas gefertigt wurde, kam einer der Glasmacher auf die Idee, in dem von ihm bewohnten Haus nebenberuflich eine Schänke zu betreiben. In diesem Fachwerkhaus soll Theodor Fontane zuletzt 1893 Quartier bezogen haben. Seine Naturschilderungen des sagenumwobenen Stechlinsees lockten erste Sommergäste an. Er wusste hier –so wie wir, die 17 Mitglieder der Wandergruppe-die Stille sehrzu schätzen. Nebensaison, fast nichts los, vor allem während der Woche. Während unserer stundenlangen Wanderungen begegneten uns nur selten Menschen.
 

Die erste Wanderung führte uns durch zartgrünen Laubwald am Dagow- und Peetschsee entlang nach Steinförde. Auf dem Weg konnte Rolf nicht nur die Schilfrohrdommeln an ihrem Gesang identifizieren, auch alle anderen Vogelstimmen konnte er klar zuordnen. Bei Unsicherheiten half sein Smartphone weiter. Unterwegs las Heide aus Theodor Fontanes „Der „Stechlin“ vor. Die Mücken machten uns das Zuhören schwer,- die hatte Herr Fontane nicht erwähnt.

 

Wir wanderten am nächsten Tag die sechzehn Kilometer um den Stechlinsee, den Fontane so beschrieben hatte: “Zwischen flachen, nur an einer einzigen Stelle steil und kaiartig ansteigenden Ufern liegt er da, rundum von alten Buchen eingefasst, deren Zweige, von ihrer Schwere nach unten gezogen, den See mit ihrer Spitze berühren.“ Er ist wahrscheinlich nicht im Frühjahr dagewesen, sonst hätte er sicher die Farbe der hellgrünen Blätter, die mit dem Grün der moosbewachsenen umgestürzten Bäume so gut korrespondierten, erwähnt und die einen schönen Kontrast zu dem von braunen Buchenblättern bedeckten Boden bildeten. Es brauchte nicht viel Phantasie, um in den schon vor Jahren umgestürzten, manchmal im See liegenden Baumresten wilde Fabelwesen zu sehen. Nicht schwer zu entdecken waren die vielen Baumpilze, die Spechthöhlen, die deutlichen Spuren der Biber, die Baumstämme gefällt hatten- und das stillgelegte Atomkraftwerk Rheinsberg, dessen Abbauzeit die Aufbauzeit um ein Vielfaches übersteigt.
 

Haubentaucher konnten wir beim Balzspiel auf dem Wasser beobachten. Die Anzeigetafel am Strand gab 11Grad Lufttemperatur bekannt und „Baden nur für die Harten“ -ohne Gradangabe. Auf dem See gab es wenige Boote, in denen nach Maränen gefischt wurde. Wir konnten sie abends gebraten oder geräuchert genießen. Zu den Sagen des Stechlinsees gehört der rote Hahn, der aufsteigt, wenn es „draußen was Großes gibt“, wie z.B. das Erdbeben von Lissabon. Ein roter Hahn stand in bemerkenswerter Größe am Ufer des Sees.

 

Am Dienstag führte uns die Wanderung um den Roofensee, mit unterschiedlichen und ganz neuen Eindrücken: zuerst an einem schmalen mit Buchen bewachsenen Steilufer entlang zu einem Erlenbruch mit Moor. Auf dem Weg zu unserem Rastplatz entdeckten wir Hunderte von Maikäfern, die sich durch Buchen- und Birkenblätter fraßen. Ein Maikäfer wählte Rolf als Landeplatz und inspizierte sein Ohr zur Freude aller Fotografen. Nach dem Picknick stimmte uns Heide mit einem Tucholskytext auf Rheinsberg ein, wo Karl uns durch den Schlosspark führte und wir den Unterschied von englischem und französischem Garten kennenlernten. Weiße Marmorskulpturen schöner Jungfrauen und Jünglinge säumten die Wege im Park. Nach einem Gang durch die Außenanlage des Schlosses kamen wir zum kleinen Hafen von Rheinsberg, wo ein französischer Künstler humorvolle Plastiken mit Bezug zur griechischen Mythologie aufgestellt hatte. Im weiteren Verlauf erkundete die Gruppe diese Stadt der preußischen Könige auf eigene Faust. In der Laurentiuskirche erklärte ein Bewohner Rheinsbergs, der sich selbst als Atheist bezeichnete und jetzt die Bibel studierte, die Geschichte dieses geistlichen Ortes und die nicht nur ruhmreiche der Familie von Bredow. Im Porzellanmuseum war die berühmte Rheinsberger Teekanne zu besichtigen. Das vielgepriesene Café hatte Ruhetag, dafür wurden wir abends in Neuglobsow mit dem Fontaneschmaus verwöhnt.
 

Die Wanderung am nächsten Tag begann nach einer Autofahrt in Zippelsförde am Rhin. Nach einer längeren Strecke auf einem Forstweg kamen wir auf den Fontaneweg, den wir über GPS ausfindig gemacht hatten. Der Weg führte entlang dem Zermützelsee und dem Tornowsee. Ein Teil der Natur schien sich selbst überlassen worden zu sein, uns faszinierten zahlreiche kleine Tümpel in einem moorigen Gelände mit vielen umgestürzten Baumriesen und großen bemoosten Steinen. Während einer Pause auf einer sonnigen Wiese mit Blick auf den See las Heide uns einen Dialog von König und Förster Fromme aus Fontanes “Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ vor, der das Bild eines am Fortschritt des Landes interessierten König zeichnete. Die Einkehr führte uns in die Boltenmühle, ein großzügiges und mit sorgfältig gestalteter Gartenanlage umgebenes Restaurant und Hotel, in das täglich viele Touristen mit Schiffen aus Neuruppin oder Rheinsberg kommen. Nicht nur kleine Kinder waren entzückt, als sie im Gelände die Esel mit dem wolligen Fell entdeckten, von denen sich der kleine gerne ausgiebig streicheln ließ.
 

Wir fühlten uns im Fontanehaus mit seinen niedrigen Decken und dem 60erJahreCharme sehr wohl. Großzügig spendierte „unser“ Wirt Pfirsichlikör, während wir abends UNO spielten. Der gastfreundliche äußere Rahmen trug viel zu der guten Stimmung in der Gruppe bei.

 

Der Abreisetag hatte einen besonderen Höhepunkt: eine Stadtführung durch die Fontanestadt Neuruppin mit einer Dame in historischer Kleidung. Nach einer Einführung anhand eines Stadtplanes ging sie mit uns zur alten Wallanlage aus dem 18. Jahrhundert, die von Kronprinz Friedrich, nicht nur erhalten, sondern auch um den Apollotempel erweitert wurde. Die Stadt wurde durch eine Feuersbrunst 1787 weitgehend zerstört und auf Anordnung König Friedrich Wilhelms anschließend im frühklassizistischen Stil mit großen Plätzen und parallelen Straßen, Häusern im Karree und Gärten in Innenhöfen wieder aufgebaut. Nicht nur die Fassaden der Geburtshäuser der großen Söhne der Stadt, Fontane und Schinkel sind inzwischen hervorragend restauriert, sondern auch ganze Straßenzüge präsentieren sich in einer geschlossenen Form- ein Beispiel für die Verwendung unseres Solibeitrags. Eine andere kulturelle Besonderheit der Stadt zeigte sie uns auch: die Neuruppiner Bilderbögen, die zwischen 1810 und 1937 gedruckt wurden. In ihnen wurde nicht nur der Gang der Jahreszeiten in der Natur kommentiert, sondern sie hielten auch jede Menge Ratschläge für Situationen des täglichen Lebens bereit, z. B. Tipps für den Umgang mit Männern(„Bist Du erst mein Mann…. Gieb mir mehr Geld und frag nicht stets wozu“). 

Der Trend, Kirchen in Kulturhäuser umzuwandeln, zeigte sich auch hier: die St. Mariensaalkirche ist seit 2002 Kulturzentrum. Auf dem roten Sofa davor präsentierten wir uns zum Gruppenfoto. Gestärkt mit einem leckeren Mittagessen beendeten wir unsere gemeinsame Reise in die Mark Brandenburg.

Vielen Dank an Heide und Karl und die Vorwanderer.

 

Text:     Helga, Hildegard und Angelika

Bilder:Rolf Küchler + Dieter Scharff